Der Reitsport im Kreuzfeuer – das Barren sorgt für Unmut

Pferd über einem Sprung im Parcours
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Neuer Skandal im Springsport

Der Reitsport hat in dieser Woche für Schlagzeilen gesorgt. Springsportlegende Ludger Beerbaum wird vorgeworfen beim Training das Barren eingesetzt zu haben. Ein schwerwiegender Vorwurf, denn die als Barren bezeichnete Methode ist vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) als eine tierschutzwidrige Trainingsmethode eingestuft worden und verboten.

Was ist passiert?

In einem Videozusammenschnitt, der auf RTL im Rahmen der Sendung RTL Extra ausgestrahlt wurde, ist zu sehen wie auf der Anlage von Ludger Beerbaum in Riesenbeck ein Pferd in einem Trainingsparcours geritten wird. Beim Überspringen eines Hindernisses ist zu erkennen, dass ein Helfer eine lange Stange anhebt, mit der die Beine des Pferdes berührt werden. „Das ist Barren“ so die Meinung des Produzenten-Teams. „Das ist Touchieren“ hält Ludger Beerbaum in mehreren Statements dagegen.

Das Problem wird auf die Definition reduziert

Statt die Trainingsmethode an sich zu hinterfragen, wird um Begrifflichkeiten gestritten. Diese Wendung wirft kein gutes Licht auf den Reitsport, der im Sommer 2021 mit dem Skandal beim Olympischen Fünfkampf ohnehin unangenehm in den Fokus gerückt worden ist.

Was ist Was – Und wer darf es?

Geht es hier tatsächlich um zwei Methoden? Oder ist es einfach Auslegungssache, wann Barren und wann Touchieren eingesetzt wird? Fest steht, dass der Deutsche Reitsportverband FN das Touchieren in Teil II seiner Richtlinien als Trainingsmethode im Springsport aufführt. Auszuführen ist die Methode laut FN von einem Ausbilder, der über Geschick und Gefühl beim Einsatz der Methode verfügt. Nun steht die Frage im Raum, ob Ludger Beerbaum darf was was Hänschen Mustermann nicht darf.

Das Pferd lässt die Vorderbeine hängen
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Warum werden Stangen zum Einsatz gebracht?

Ob Barren oder Touchieren: Mit dem Berühren der Vorderbeine soll das Pferd dazu gebracht werden, die Füße etwas höher zu heben. Damit soll erreicht werden, dass das Pferd beim nächsten Versuch die Beine noch etwas höher nimmt, stärker an den Körper heranzieht. Hilfreich kann das sein, wenn ein Pferd zwar hoch springt, die Vorderbeine jedoch nur wenig anzieht und schnell wieder „hängen lässt.“

Was also macht das Barren aus?

Beim aktiven Barren wird eine Stange gezielt von einem Helfer dazu verwendet, das Pferd an den Beinen zu berühren, während es über das Hindernis springt. Die Stange, die auf der Videosequenz der RTL Ausstrahlung zu sehen ist, soll kantig bzw. mit Noppen besetzt gewesen sein. Das wäre laut FN verboten. Ebenfalls sind Ausholbewegungen verboten, da sie die Stange mit mehr Wucht an das Pferdebein bringen.

Beim Touchieren wird das gleiche Ziel angestrebt. Hierbei steht ein Trainer oder Helfer an der Seite und verwendet eine lange Gerte oder einen Bambusstock. Eingesetzt wird das bis zu zwei Kilo schwere und drei Meter lange Hilfsmittel für den gleichen Zweck. Der Unterschied wird vom Reitsportverband FN darin gesehen, dass die Gerte bzw. der Bambusstock nur leicht gegen das Bein des Pferdes geführt werden.

Die Stellungnahme der FN

Was genau Barren ist und was als Touchieren bezeichnet wird, ist wohl selbst der FN im Moment nicht ganz klar. Wie FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach in einer Pressemitteilung zu dem Vorfall äußerte: „Die Grenzen zwischen dem laut Richtlinien für Reiten und Fahren zulässigen Touchieren und dem gemäß Tierschutz-Leitlinien verbotenen Barren sind fließend.“ Eine Aussage, die vielen Pferdeliebhabern nicht gut gefällt. Mit dieser Hintertür lässt sich Fehlverhalten auf einfache Weise legitimieren.

Änderungen sind gefordert

Die neu aufgeflammte Diskussion um das Barren und Touchieren zeigt, dass die Richtlinien des Pferdesportverbandes in einigen Punkten einer neuen Überarbeitung bedürfen. Das Tierwohl steht seit vielen Jahren im Fokus. Da überrascht es, dass Trainingsmethoden wie das Touchieren in einem Regelwerk aufgeführt werden. In den letzten Tagen hat die FN jedoch erkannt, dass hier Handlungsbedarf ist. Die bereits vor geraumer Zeit beauftrage Kommission, die sich mit dem Touchieren beschäftigt, muss nun schnell liefern. Gut möglich, dass das Touchieren aus dem Regelwerk gestrichen wird.