Bitte eines Pferdes

An dich, mein Gebieter, richte ich meine Bitte:
Füttere mich, tränke mich und sorge für mich und wenn die Tagesarbeit geleistet ist,
gib mir Obdach, saubere, trockene Streu und einen Stand,
weit genug für mich, um bequem liegen zu können.
Deine Stimme bedeutet mir oft mehr als der Zügel.
Liebkose mich manchmal und klopfe mir den Hals,
damit ich dir mit mehr Freude diene und lerne, dich zu lieben.
Zerre nicht an den Zügeln und gebrauche nicht die Peitsche.
Schlage und trete mich nicht, wenn ich nicht gleich begreife, was du verlangst.
Gib mir statt dessen die Möglichkeit, dich zu verstehen. Verlange nicht,
dass ich über meine Kräfte angestrengt werde oder viel zu hohe Hindernisse springen
muß.
Beobachte mich, wenn es mir nicht gelingt, zu tun, was du verlangst.
Sieh nach, ob vielleicht an der Zäumung etwas fehlt oder meine Hufe nicht in Ordnung
sind.
Verschaffe mir bequem sitzendes Ledergeschirr und Zügel,
sodass ich gut und ohne Schaden für dich arbeiten kann.
Sieh nach meinen Zähnen, wenn ich Futter verweigere. Ich könnte einen eiternden
Zahn haben,
was sehr schmerzhaft ist. Sorge dafür, dass sich ein ordentlicher
Hufpfleger um meine Hufe kümmert
und dass meine Hufschuhe passen. Putze mich, wenn es notwendig ist und halte auch
meinen Stall sauber.
Berücksichtige, dass ich viel lieber auf der Weide als in der Box stehe.
Aber noch wichtiger sind für mich meine Artgenossen. Einen Freund,
den brauch ich unbedingt zu Fell kraulen, spielen, streiten oder oder oder.
Bedenke, dass auch ich müde werde bei einer langen Reise im Pferdetransporter.
Und zuletzt, o mein Gebieter, wenn meine Kräfte nachlassen und ich dir nicht mehr
nützlich sein kann,
lass mich nicht ohne Pflege auf der Weide dahinleben,
frierend oder unter der Hitze leidend.
Verkaufe mich nicht an Fremde sondern sei gütig, mein Gebieter,
und nimm du dann selbst mein Leben, schmerzlos und schnell, und dein Gott wird
es dir lohnen immerdar.
Glaube nicht, dass dies eine respektlose Bitte ist. Ich bitte dies alles im Namen
dessen,
der in einer Krippe geboren ist.

(unbekannt) eingesandt von Claudia Loidl